Gründung der Ressource

So erfolgte dann die Gründung der »Ressource«, einer gesellschaftlichen Vereinigung Mindener Bürger »von Stand« trotz oder gerade wegen der örtlichen Verhältnisse des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Ein kulturelles und gesellschaftliches Leben war in Minden bis zu dieser Gründung auch aus räumlichen Gründen kaum möglich. Die Stadt, die mit einer Unterbrechung von 1763 bis 1816 durch den Festungsgürtel eingeschnürt war, war sehr eng bebaut und die meisten Häuser waren so klein und bescheiden, daß sie von vornherein keinen Platz boten für einen Gedankenaustausch, für kulturelles und gesellschaftliches Leben im größeren, nichtfamiliären Rahmen und für Empfänge und Bälle bei »allerhöchsten« Besuchen. So versuchte man denn in Minden diese Schwierigkeiten zu überwinden und gründete im Oktober des Jahres 1788 die Gesellschaft »Ressource«. Eine Gründungsurkunde ist jedoch nicht mehr vorhanden; auch war bisher nicht festzustellen, wer zu den Gründern der »Ressource« gehörte. Jedoch befanden sich noch 1938 im Billardzimmer des Gesellschaftshauses Mitgliederlisten, die auf die ersten Jahre der Gesellschaft zurückgehen. Zu den ersten Mitgliedern, die auf diesen Listen verzeichnet sind, gehörten Regierungsrat von Moeller (seit 1793), Landrentmeister BIomberg (seit 1793) und Konsistorialrat Hauff (seit 1795). Im Jahre 1800 befinden sich unter den Mitgliedern der »Ressource« bereits die ersten Mindener Kaufleute.

Das Offizierskorps der Mindener Garnison gehörte der Gesellschaft jedoch schon seit ihrer Gründung als korporatives Mitglied an.

Haus am Markt für 9.380 Taler in Gold gekauft

Wenn die Mindener »Ressource«, die heute den Namen »Gesellschaft zur Weserklause« trägt, auch auf ein ehrwürdiges Alter zurückblicken kann, so ist ihre Gründung am Ende des 18. Jahrhunderts indessen kein Einzelfall. Ahnlich wie in Minden lagen die Verhältnisse auch in anderen Klein- und Mittelstädten, die auch dort zur Gründung solcher gesellschaftlicher Vereinigungen führten. In Bielefeld z. B. wurde eine solche Gesellschaft ebenfalls unter dem Namen »Ressource« gegründet, allerdings einige Jahre später als in Minden, nämlich erst 1795. Auch fehlte offenbar zunächst das Element der höheren Beamtenschaft in der Bielefelder "Ressource" zu deren Gründungsmitgliedern sieben Leinenkaufleute, ein »Industrieller« und ein Rittergutsbesitzer gehörten. Die Mindener »Ressource« und ihre ersten Mitglieder lassen dagegen erkennen, daß Minden eine Beamten- und Garnisonstadt war. Schon am 9. Dezember 1790 kaufte die Gesellschaft für ihre Zwecke ein Haus von dem Böttchermeister Homann. Dieses Haus lag am Markt. Auf seinem Grundstück steht heute das Lichtspieltheater »Universum« (Markt 22). Im Jahre 1790 wurde das angekaufte Haus im sogenannten Hypothekenbuch, dem Vorläufer des heutigen Grundbuches, beschrieben als "Wohnhaus mit Scheune und Gasfabrik, Garten an der Lindenstraße und einem Hudeteil für 6 Kühe an der Rodenbeck". Das Haus war belastet mit 1 Taler Kirchengeld, das an die St. Martini-Gemeinde zu entrichten war. Der Kaufpreis für das ganze Anwesen belief sich auf 9.380 Taler in Goldwährung, die dem Verkäufer sofort bar bezahlt wurden. Diese erhebliche Summe ist ein Zeichen dafür, daß die Mitglieder der Gesellschaft damals sehr wohlhabend gewesen sein müssen.

Die erwähnte Gasfabrik, die 1790 mit übernommen wurde, hat die "Ressource" weiter betrieben, vermutlich zur Beleuchtung und Beheizung des Gesellschaftshauses. Diese Gasfabrik der »Ressource« ist übrigens der Vorläufer der städtischen Gasversorgung. 1853 wurde nämlich auf eben diesem Grundstück an der Lindenstraße von privater Seite ein neues Gaswerk errichtet. So bekam Minden als eine der ersten deutschen Städte eine öffentliche Gasanstalt und eine Gas-Straßenbeleuchtung.

Die »Ressource« dürfte das gesellschaftliche Leben der Stadt schon bald entscheidend gefördert und weitgehend mitbestimmt haben. Das mag aus einem die Vorzüge der "Ressource" anschaulich schildernden Bericht hervorgehen, der in einem Reisetagebuch von 1794 überliefert ist und hier wiedergegeben werden soll.

»Der Ton in Minden hat unter der ersten Klasse der Einwohner viel Politur. Das Steife und Pedantische, welches den Umgang in manchen kleinem Städten unausstehlich eckelhaft macht, kennt man hier nicht. Die Geselligkeit gewinnt durch die hiesige Resource sehr. Diese treffliche Einrichtung, welche ich auch vor längerer Zeit zu Paderborn habe kennen lernen, ist dem auswärtigen Publicum so viel ich weiß, nicht bekannt. Erlauben Sie mir daher, Ihnen davon diejenigen Nachrichten mitzutheilen, für deren Wahrheit ich mich als Augenzeuge verbürgen kann.

Die hiesige Resource hat ihre Zusammenkünfte in einem, ihr eigenthümlich zugehörigem Hause, welches am Markte in einer der angenehmsten Gegenden der Stadt liegt. Die Mitglieder derselben, deren Anzahl schon jetzt sehr ansehnlich ist, bestehen theils aus einheimischen, theils auswärtigen Personen, deren jede einen jährlichen Beytrag zur Erhaltung der nothwendigen öconomischen Einrichtungen zu geben sich verpflichtet. Nur allein aufgenommene Mitglieder haben freyen Zutritt zu dieser Gesellschaft. Will ein Fremder die Einrichtungen derselben kennen lernen, so wird ihm dieses, wenn er anders ein ordentlicher Mann zu seyn scheint, nicht versagt, nur muß er von einem wirklich aufgenommenen Mitgliede eingeführt werden. Die Resource steht zu jeder Zeit des Tages den wirklichen Mitgliedern offen. Nachmittags finden sie hier jederzeit Gesellschaft.

Die Vortheile, welche eine solche Anstalt gewährt, darf ich Ihnen nicht auseinander setzen. Hier findet der Geschäftsmann Erholung von seinen Arbeiten, nicht, wie dies in Wirtshäusern oft der Fall ist, in der Gesellschaft fader Gaffer und Schwätzer, sondern im Cirkel gewählter Männer. Hier kann der Freund dem Fremdling, der sich bey ihm aufzuheitern wünscht, in der Gesellschaft ausgesuchter Personen reelles Vergnügen verschaffen; und gegen den Eckel vor Langerweile schützen. Hier können Sie, wenn sie nicht Lust haben zu sprechen, sich niedersetzen und sich mit gemeinnützigen Zeitschriften unterhalten. Jeder genießt eine erlaubte Freyheit. Dergleichen Anstalten reitzen zur Nachahmung und sind Bey träge zur Charakteristik der Nation.«

Heute wird man freilich nicht mehr genau feststellen können, ob damals allgemein das gesellschaftliche Leben zuweilen Gefahr lief, zu einer Sucht nach billigem, anspruchslosem Amüsement zu werden. Jedenfalls gibt es auch kritische Stimmen zum kulturellen und gesellschaftlichen Leben in Minden um 1800. Vermutlich ist wohl der Kritiker über sein Ziel hinausgeschossen. Auch wenn sein Urteil über die Mindener Gesellschaft wenig schmeichelhaft, so ist es doch so amüsant, daß es hier ebenfalls wiedergegeben werden mag.

»Es muß allerdings befremden, daß Minden eine Stadt, wo zwey Landescollegia, ein Domcapitel, acht Kirchen, ein Gymnasium, eine Garnison, Gelehrte aller Facultäten, und viele angesehenen Kaufleute und Bürger leben, daß diese so wenig oder gar nichts für Wissenschaften und Künste thut, und daß, alles dessen ungeachtet, keine gelehrten Gesellschaften, kein Buchladen, keine Bibliotheken, keine Apparate und Instrumente für Künste und Wissenschaften darin zu finden sind. Man hört nicht einmal davon. Gespräche über Litteratur, Künste, Cultur, Aufklärung etc. etc. werden hier eben so geflissentlich vermieden, als nicht geachtet.

Begehrt man aber Assemblees, Resourcen aller Art, Bälle, Thees, tanzende und klatschende, Diners, Soupers, Concerte, (worin man aber gähnt) parties fines etc. etc., daran ist kein Mangel. Alles ist hier auf Befriedigung der Sinnlichkeit bedacht, um deren Erhöhung und Veredlung die vor einigen Jahren hier gestandene Observationsarmee sich besonders verdient gemacht hat, und wovon man jetzt leider täglich die traurigen Folgen sieht.

Also Genuß! Genuß! dieser ist hier an der Tagesordnung. Der Zauber dieser Sirene wirkt mächtiger als der schönste Ton aus Oberon's Horn von Elfenbein, und führt die Söhne der Schwelgerey auf dem wilden Strome der falschbezaubernden Freude zu schnellem Verderben. Reichthum zu erwerben, und das Erworbene auf die angenehmste Art wieder los zu werden (ums Himmels willen aber nicht Gelehrsamkeit!), dies war bisher die Sorge der Mindener. Et hinc illae lacrimae! -- Wer sollte nun bei diesem Tone Programme lesen? wer actus besuchen? wer die Wissenschaften befördern, und dem Gymnasium Celebrität verschaffen? Wer? -- Doch diese Fragen zu beantworten und die Sache näher zu erörtern, ist nicht die Absicht dieser Zeilen. Nur Winke wollte ich geben. Gut! wenn sie beherzigt werden, wo nicht -- O hel jam satis! Der Himmel gebe bessere Zeiten!!!«

Soweit der Kritiker über das geistige und gesellschaftliche Leben in Minden.

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