Der Zusammenbruch Preußens - Jérôme 1808 in Minden
Sollten die Mindener um die Jahrhundertwende tatsächlich nur geringe kulturelle Ambitionen gehabt haben, so kamen schon bald »bessere Zeiten« für die Musen in Minden. Es sei nur an die »Westphälische Gesellschaft für vaterländische Cultur«, die »Westphälischen Provinzialblätter« und das von Nicolaus Meyer herausgegebene »Mindener Sonntagsblatt« erinnert.
Zunächst aber kam der Zusammenbruch Preußens 1806 und die Vormachtstellung Napoleons in Europa. In dem von Napoleon 1807 geschaffenen Königreich Westphalen, zu dem auch Minden gehörte, war Jérôme, der jüngste Bruder Napoleons, von diesem zum König gemacht worden. Durch Reisen versuchte Jérôme, sich beliebt und volkstümlich zu machen. Nach amtlichen Berichten soll der König bei seinem Besuch in Minden mit großer Begeisterung empfangen worden sein. Da es sich hier aber um amtliche Berichte handelt, mag dahingestellt bleiben, wie groß die Begeisterung wirklich war, und ob man amtlicherseits bei der an den Tag zu legenden Begeisterung nachgeholfen hatte. Der Diensteifer der Beamten bei solchen Anlässen seinerzeit erklärt sich vielfach aus der Sorge um ihre Stellung, und die Bevölkerung nahm oft nur aus einfacher Neugierde an solchen Veranstaltungen teil. Am 13. September 1808 weilte Seine Majestät Jérôme, König von Westphalen, jedenfalls in Minden. Der Tag sollte »celebrirt« werden und daher sah sich die Stadt Minden veranlaßt, im Hause der »Ressource« einen Ball mit einem Souper zu geben, an dem 160 Personen teilnahmen. Die Bewirtung der Gäste übernahm der Wirt der »Ressource«, Tacke. Dieser Ball und das Souper sollten dem »Ressourcen« - Wirt Tacke noch lange in unangenehmer Erinnerung bleiben, da Tacke, wie wir aus entsprechenden Akten über die Verhandlungen mit der Stadt Minden wissen, nachher seine Unkosten nicht erstattet bekam. Tacke hatte pro Person einen Betrag von 1 Taler für den Ball, die Musik und das Essen, den Tee und den Kuchen gerechnet. Mit den Nebenkosten, z. B. den Kosten für 22 Pfund Wachslichter, beliefen sich seine Forderungen auf insgesamt 199 Taler, die er von der Stadt Minden zu erhalten hatte. -- Der »Ressourcen« - Wirt hat jedoch während der Zeit des westphälischen und französischen Regimes sein Geld nicht mehr erhalten. Er hatte nur erreichen können, daß seine Forderung in das jährliche Budjet der Stadt Minden aufgenommen worden war. Inzwischen schrieb man aber 1814 und Tacke war nun nicht mehr gewillt, sich hinhalten zu lassen. Er wandte sich daher »nach Wiederkehr des Rechts und der Ordnung« an die preußische Regierungskommission, den Vorläufer der 1816 begründeten Regierung für den Regierungsbezirk Minden, mit der Bitte, ihm zu seiner Forderung zu verhelfen, »wenn auch ihre Veranlassung nicht die wünschenswertheste war«. Stadtdirektor (= 1. Bürgermeister) Müller bescheinigte daraufhin, daß die Forderung Tackes über 199 Taler als Kommunalschuld wieder in den Kämmerei-Etat von 1814 eingesetzt worden sei. Mit der Bezahlung der Schuld war vorerst nicht zu rechnen; Müller mußte der Regierung darlegen, wie es gekommen war, daß die Stadt der »Ressource« gegenüber noch weitere Schulden hatte! Auch die »Direction der Ressource« befand sich nämlich wegen einiger Außenstände mit dem Stadtdirektor Müller »in Verwicklung« und hatte, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, 1814 die Regierung eingeschaltet. In einem ausführlichen Schreiben hatten die Direktoren der »Ressource« Ebmeyer, Gibmeyer, Borries und Bessel I die Forderungen der »Ressource« spezifiziert. »Das Publicum weiß«, so hieß es darin, »daß sie (= die Ressource) zu öfter Malen gefällig darin gewesen ist, ihr Locale zu den von demselben (Müller) veranstalteten Festlichkeiten herzugeben.« Bei diesen Festlichkeiten sei natürlich viel Wein getrunken worden, weil der Wein, den die Gesellschaft zur Verfügung gestellt habe, sehr preiswert gewesen sei. Die der Regierung in diesem Zusammenhang vorgelegte Spezifikation der Forderungen der »Ressource« gibt einen gewissen Einblick in die offiziellen Veranstaltungen, die in den Jahren der französischen Herrschaft im Hause der »Ressource« stattfanden.
Der Stadtdirektor spendierte der Musik "Ressourcen" -- Wein
Als Anfang des Jahres 1811 jene Kommission in Minden ankam, die unter Leitung des französischen Generals Compans und des westphälischen Finanzministers Malchus hier die neue Grenze zwischen dem Königreich Westphalen und dem Kaiserreich Frankreich festlegte -- Napoleon hatte 1810 ganz Norddeutschland westlich der Weser und damit auch die Stadt Minden annektiert -- hielt man es »für zweckmäßig, zu Ehren des ersteren (Compans) ein Diner und einen Ball zu geben, welcher am 6. März 1811 auf der Resource veranstaltet und dabey nicht weniger als für 239 Thaler 19 Groschen 4 Pfennige Wein consumirt wurde«.
Am 21. Juni 1811 veranstaltete Stadtdirektor Müller im Hause der »Ressource« bei Anwesenheit des Departementspräfekten aus Osnabrück ein Gastmahl. Auf diesem Fest wurde für 82 Taler und 23 Groschen Wein getrunken, den die Gesellschaft selbst lieferte. Als der Geburtstag des Kaisers Napoleon am 15. August 1811 festlich begangen wurde, ließ Stadtdirektor Müller den aufspielenden Musikern Wein von der »Ressource« im Werte von 4 Talern spendieren. Auch bei zwei weiteren Besuchen des damaligen Departementspräfekten aus Osnabrück in Minden am 30. September 1811 und am 11. Februar 1812 (?) wurden im Hause der »Ressource« Gastmahle gegeben. Die Gesellschaft lieferte dafür den Wein im Wert von 32 Talern 19 Groschen bzw. 31 Talern 8 Groschen. Für diese Weinlieferung konnte Stadtdirektor Müller der »Ressource« jedoch eine Abschlagszahlung leisten, so daß sich die Forderung für diese beiden Veranstaltungen nur noch auf 26 Taler und 12 Groschen belief.
Das Jahr 1813 brachte zwar einen Umschwung in der allgemeinen politischen Lage und das Ende der französischen Fremdherrschaft in Nordwestdeutschland -- und Müller ging mit der Zeit --, offenbar aber keinen in der Zahlungsunfähigkeit der städtischen Kasse. Es »empfingen am 3ten November 1813 die ersten hier angekommenen Cosacken auf Anweisung des Herrn etc. Müller an Wein und Cognac für 9 Thaler 6 Groschen«. Dabei scheint es sich aber nur um jene Mengen und Summen gehandelt zuhaben, die Stadtdirektor Müller auch 1814 noch nicht der Gesellschaft bezahlt hatte. An anderer Stelle hören wir nämlich, daß die Stadt für das Offizierskorps des Kosakenregiments, das nach Abzug der Franzosen 1813 als erster Truppenteil der Verbündeten in Minden eingerückt war, ein Abendessen im Hause der »Ressource« gegeben habe. Dieses Mahl soll einen außerordentlich feuchten Verlauf genommen haben, die Mindener sollen die Kosakenoffiziere bewundert haben, die angeblich Speisen und Getränke in unvorstellbaren Mengen genossen haben!
Die Gesamtsumme der Forderungen, die die Direktoren der »Ressource« nach der spezifizierten Zusammenstellung von 1814 an die Stadt Minden stellten, belief sich damit auf 395 Taler, 17 Groschen und 4 Pfennige. Die Regierung verlangte jetzt von Stadtdirektor Müller eine Stellungnahme. Müller bestätigte, daß am 6. März 1811 zu Ehren des Generals Compans »auf Befehl der damaligen Behörden die Stadt eine fete hat geben müssen, woran beinahe 150 Personen theil genommen«, und daß es mit den Forderungen für dieses Fest wie auch mit denjenigen für die übrigen seine Richtigkeit habe. Er bestätigte im übrigen auch die Richtigkeit der Forderungen des Gastwirts Tacke. Die Beträge könnten' aber wegen fehlender Gelder von der Stadt noch nicht bezahlt werden, die »Ressource« müsse sich bis 1815 gedulden. Müller wies aber ausdrücklich darauf hin, daß er den Wein für die Kosaken nicht bestellt habe.
Daraufhin kam es zu langwierigen Ermittlungen und Verhandlungen, bei denen die Regierung feststellen wollte, ob die genannten Veranstaltungen in der »Ressource« ausdrücklich von den übergeordneten Behörden genehmigt waren und die Forderungen der Gesellschaft und ihres Gastwirtes Tacke als Gemeindeschulden anzusehen seien. Tackes Forderungen mußten von der Stadt beglichen werden, aber noch 1820 bat Tacke die Regierung, eine Beschleunigung der Abschlagszahlungen durch die Stadt zu veranlassen. Wann schließlich die Forderungen Tackes und der Gesellschaft selbst völlig beglichen waren, läßt sich den vorhandenen Akten jedoch nicht entnehmen.
Die weitere Geschichte der "Ressource" während des 19. Jahrhunderts ist schnell erzählt, da für diesen Zeitraum heute nur noch wenige Quellen vorhanden sind. Das Festmahl aus Anlaß des Geburtstags (3. August 1770) Königs Friedrich Wilhelm ||| von Preußen im Jahre 1817 verlief besonders festlich. Unter Kanonenschüssen wurde auf den König und die königliche Familie ein Toast ausgebracht. Auch wurden die Invaliden aus den napoleonischen Kriegen in der »Ressource« gemeinschaftlich bewirtet. In demselben Jahr fand auch jeden Sonntag in der »Ressource« eine Mittagstafel statt, bei der regelmäßig eine Sammlung für wohltätige Zwecke veranstaltet wurde. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts betonte man übrigens immer wieder, daß sich die Mitglieder der Gesellschaft auch der unbemittelten Bürger annähmen. Im Jahre 1821 war zum Beispiel die Rede von dem »alle Mitglieder dieses Vereins belebenden Geist der Wohltätigkeit«. Als seinerzeit einmal Handarbeiten versteigert wurden, erbrachte diese Versteigerung immerhin 419 Reichstaler, die man für wohltätige Zwecke verwandte.
Am 14. Oktober 1821 hielt sich König Friedrich Wilhelm 3. in Minden auf. Das Mindener »Sonntagsblatt« berichtet aus diesem Anlaß, Friedrich Wilhelm 3. habe nach der Besichtigung der in Minden stationierten Truppen einen »wirklich glänzenden Ball auf der Ressource« besucht, »welchen Hochdieselben selber eröffneten«. Dieser Höhepunkt der gesellschaftlichen Veranstaltungen der »Ressource« war allerdings zugleich mit der ersten Belastung ihres Grundstückes verbunden. Die Gesellschaft entlieh damals 1200 Taler in Gold vom Domvikar Giebmeier und ließ sie als Hypothek auf das Grundstück eintragen.
In den Jahren von 1822 bis 1825 feierte der Kommandeur des 15. Infanterieregiments, Oberst von Schmalensee, regelmäßig den Geburtstag des Chefs des Regiments, des Prinzen Friedrich der Niederlande (28. Februar 1797) im Haus der »Ressource« mit einem »brillanten Ball« mit Abendessen, zu dem stets etwa 200 Gäste eingeladen wurden. Im Jahr 1825 gab das Mindener Offizierskorps anläßlich der Einweihung des Schwichow-Denkmals, zu dessen Gestaltung der preußische König 6 Kanonen aus dem Mindener Zeughaus gestiftet hatte, und anläßlich der Verabschiedung des Regierungs-Chefpräsidenten Karl Freiherr von der Horst ein »solennes Mittagsmahl auf der Ressource, zu welchem die Mitglieder der Regierung und mehrere angesehene Bürger der Stadt eingeladen waren«. Im September desselben Jahres gab die Stadt Minden in der »Ressource« einen Ball, bei dem König Friedrich Wilhelm 3., der Kronprinz, drei weitere preußische Prinzen und der Herzog von Cumberland zugegen waren. Aus dem Jahre 1826 wird berichtet, daß die Kapelle des Infanterieregiments Nr. 15 (Prinz Friedrich der Niederlande) wöchentlich Konzerte im Haus der »Ressource« veranstaltete.
Im nächsten Jahr, 1827, wurde am 28. Februar anläßlich des Geburtstages des Prinzen Friedrich der Niederlande »ebenso wie wir solches seit mehreren Jahren der Veranstaltung des Herrn Regiments-Commandeurs, Obersten von Schmalensee verdanken, auch diesmal durch ein großes militairisches Instrumental-Concert, auf der hiesigen Ressource, zum Besten der Armen- und Schul-Institute des hiesigen löblichen Mädchen-Vereins, von Seiten des König!. Hochlöblichen 15. InfanterieRegiments gefeiert, welches bekanntlich in Sr. König!. Hoheit seinen erhabenen Chef verehrt. Mit dem Genuß ausgezeichneter Leistungen der Kunst und Präcision in der Ausführung, durch das Musik- und Sänger-Corps des Regiments, vereinigte sich das Interesse für den vorbezeichneten wohlthätigen Zweck zu einer würdigen Feier, zu Ehren eines, unsrem Königshause nahe verwandten, allgemein verehrten Prinzen, dessen Durchlauchtigste Gemahlin (Prinzessin Luise von Preußen) mit höchsteigner kunstreicher Hand das Fähnlein gestickt, und dem Regimente unlängst zu verehren geruhet hatte, welches an dem auf dem Orchester ausgestellten halben Monde der Janitscharmusik prangte«.
Anschließend gab Regierungs-Chefpräsident Carl Gottlieb Richter ein Gastmahl, bei dem »die gewohnte Eintracht zwischen dem Militär und Zivil« herrschte. Aus demselben Jahr wird berichtet, daß am Geburtstage des Königs der Festungskommandant, Generalmajor von Briesen, die Festrede in der »Ressource« hielt, während Regierungs-Chefpräsident Richter die Büste des Königs bekränzte.
Am 17. November 1850 besuchte Prinz Wilhelm von Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm 1., Minden. Er wurde am Bahnhof durch die Bürger-Eskadron empfangen und in die Stadt geleitet, wo er in der Kommandantur abstieg. Abends fanden eine Illumination der Stadt und ein Festball in der »Ressource« statt, an dem auch der Prinz selbst teilnahm.
König verlieh Rechtsfähigkeit einer juristischen Person
Am 26. Januar 1852 wurde der »Ressource« durch »Allerhöchste Entschließung seiner Majestät des Königs« die Rechtsfähigkeit einer juristischen Person verliehen. Zu den im Haus der »Ressource« veranstalteten Feierlichkeiten gehörte auch die Säkularfeier der Schlacht bei Minden 1759. Zu dieser Feier am 1. August 1859 wurden die offiziellen Gäste durch Landrat von Schlotheim eingeladen.
Im Jahre 1876 fand anläßlich der Jubiläumsfeier des Infanterie-Regiments Nr. 15 ein Ball im Haus der »Ressource« statt, an dem Prinz Friedrich der Niederlande und Prinz Albrecht von Preußen teilnahmen.
Im Jahr 1892 hat es offenbar Differenzen zwischen den in der »Ressource« vertretenen Militärs und den zivilen Mitgliedern wegen der Neufassung der Satzung der »Ressource« gegeben. Der Schriftwechsel wurde seinerzeit zwischen dem damaligen Vorsitzenden der Gesellschaft, Regierungspräsident Adolf von Pilgrim, und dem Kommandeur der 26. Infanterie-Brigade, Generalmajor von Winnig, geführt. Außerdem waren Oberbürgermeister Bleek und Landrat Bosse in diese Angelegen-heit eingeschaltet. Man wird davon ausgehen müssen, daß auch in einer so militärisch bestimmten Festungs- und Garnisonsstadt wie Minden inzwischen auch das wohlhabende Bürgertum ein gewisses Selbstbewußtsein entwickelt hatte und sich längst seiner Eigenständigkeit bewußt geworden sein mochte. Es ging jetzt vermutlich darum, wer in der »Ressource« das bestimmende Element, wer tonangebend sein sollte und welche Aufgaben und Zielsetzungen die »Ressource« für das gesellschaftliche Leben der Stadt Minden verfolgen sollte. Die schließlich im Jahre 1893 zustande gekommene Satzung scheint daher kaum mehr als ein wenig befriedigender Kompromiß zwischen den Militärs und den zivilen Mitgliedern zu sein, da es in der Satzung heißt: »Die im Oktober 1788 gegründete geschlossene Gesellschaft hat den ausschließlichen Zweck eines gemeinsamen Vergnügens«. Von weiteren Bestrebungen und Aufgaben in der »Ressource« hatte man offenbar unterschiedliche Vorstellungen.
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