Von der "Ressource" zur "Gesellschaft zur Weserklause"

Der Zweck der Gesellschaft ist seit der Gründung 1788 satzungsmäßig nie mehr erweitert und immer wieder mit ähnlichen Formulierungen angegeben worden. Von 1910 bis 1927 war durchgehend von der »Pflege des geselligen Lebens« die Rede. In den Satzungen von 1924 hat die Gesellschaft wiederum »den ausschließlichen Zweck des geselligen Zusammenseins« (§ 1). Und 1935 konnte die Gesellschaft natürlich nicht umhin, in der Satzung (§ 1) »die Förderung des geselligen Verkehrs ihrer Mitglieder auf der Grundlage und im Geiste des nationalsozialistischen Staates« zu betonen. Die Satzung von 1947 erlaubt der Gesellschaft glücklicherweise wieder »die Förderung des geselligen Verkehrs ihrer Mitglieder«, ohne jede politischen lippenbekenntnisse und formale Sollerfüllungen!

Seit dem Jahr 1900 war das Haus der »Ressource« auch Kasino für die Landwehroffiziere. Um die Jahrhundertwende erwog man erstmalig den Verkauf des Hauses am Markt und den Neubau eines Gesellschaftshauses an anderer Stelle. Zunächst gedachte die »Ressource«, ein Grundstück an der Marienkirche von der Garnisonsverwaltung zu erwerben, jedoch zerschlugen sich diese Verhandlungen, da das Presbyterium der Kirchengemeinde St. Marien das Vorkaufsrecht ausübte, das der Kirchengemeinde für dieses Grundstück zustand. Als aber im Jahre 1907 die Verlängerung der Tonhallenstraße beschlossen wurde, faßte die »Ressource« den Plan, das Grundstück an der Tonhallenstraße gegenüber dem Kreishaus zu erwerben, für das sich allerdings auch die Reichsbank interessierte. Im Jahre 1909 kam schließlich ein Erbbauvertrag über das Grundstück zustande. Die Stadt Minden legte Wert darauf, daß das Grundstück, das nach Abtragung des Klausenwalles und nach der Zuschüttung des Stadtgrabens wüst und unbebaut war, bald bebaut wurde, damit die kurz zuvor errichteten Neubauten, Kreishaus. Stadttheater und Regierungsgebäude, städtebaulich zu einem einheitlichen Komplex würden und dieser nach dem Glacis zu einen würdigen Abschluß fände. Bei einem Architektenwettbewerb fiel die Wahl auf den Mindener Architekten Kelpe, der später nach Hannover übersiedelte. Der Neubau des Gesellschaftshauses erfolgte nach den Plänen Kelpes.

Das alte Haus der »Ressource«, das mit 50.000,- Mark belastet war, und für das im Laufe der Verhandlungen der Kaufmann Hermann Schmieding 110.000,- Mark geboten hatte, wurde schließlich für 100.000,- Mark an den Gastwirt Goliberzuch verkauft, der in ihm dann das »Rheingold« eröffnete, das später in ein lichtspieltheater, das, heutige »Universum«. umgewandelt wurde. Für den Neubau eines Hauses in der Tonhallenstraße standen nun 50.000,- Mark aus dem Erlös für das ehemalige Haus der »Ressource«, 60.000,- Mark als Darlehn der Stadt Minden und 10.000,- Mark als Darlehn des Kreises Minden zur Verfügung. Für die Einrichtung und Ausstattung des Hauses wurden fast 30.000,- Mark durch Spenden der Mitglieder aufgebracht. Das Offizierskorps stiftete die seinerzeit in der Halle hängenden schmiedeeisernen Leuchter und die Standuhr im sogenannten getäfelten Zimmer. Am 7. August 1911 stellte der Magistrat der Stadt Minden der »Ressource« eine Konzession zur Bewirtschaftung des neuen Hauses aus. Konzessioniert wurde der »Betrieb der Schankwirtschaft in dem Hause Tonhallenstraße Nr. 2«. Die »Ressource« hatte ihrerseits einen Gastwirt auf Privatdienstvertrag angestellt.

Vom Kriegsjahr 1915 ab "Gesellschaft zur Weserklause"

Im Jahre 1913 erhielt die »Ressource« eine Anfrage, ob ihr Haus gegebenenfalls als Lazarett verwandt werden könne. Die »Ressource« bejahte diese Anfrage. Jedoch wurde das Haus während des Ersten Weltkrieges für diesen Zweck nicht in Anspruch genommen. Für das Kriegsjahr 1915 ist eine für die »Ressource« sehr bemerkenswerte und für die damalige Zeit kennzeichnende Begebenheit festzustellen. Die »Ressource« verzichtete auf ihren alten, traditionsreichen Namen und hieß fortan »Gesellschaft zur Weserklause«. Altere Mitglieder wußten sich zu erinnern, daß die Umbenennung durchaus zeitbedingt war. Die politische Führung und große Teile der Bevölkerung sprachen von »nationaler Gesinnung«, zeigten aber nationalistische Oberheblichkeit. Wenn man schon offiziell die Parole »Gott strafe England« verkündete, war auch in Minden ein Hotel mit dem Namen »Stadt London« untragbar; es wurde ebenfalls eingedenk preußischer Tradition in »König von Preußen« umbenannt. Aber eben diese mehr als hundertjährige durchaus preußische Tradition einer gesellschaftlichen Vereinigung galt nichts, wenn diese den französischen Namen »Ressource« (Hilfsquelle, Rettung, Hoffnung) trug. Wer in Minden wollte und konnte sich schon gegen das »gesunde Volksempfinden« stemmen und einen französischen Namen akzeptieren, wo man doch seit einem Jahr gegen den »Erbfeind« Frankreich Krieg führte?

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Haus der »Gesellschaft zur Weserklause« wieder eine Stätte des gesellschaftlichen Lebens und der freundschaftlichen Begegnung. Die neue Satzung der Gesellschaft trat mit ihrer Genehmigung durch den Regierungspräsidenten am 27. März 1924 in Kraft. Die formalen Bestimmungen bezüglich der Mitglieder, des Vorstandes, der Hauptversammlung dürften kaum An-derungen erfahren haben. Eine erneute Umbenennung der Gesellschaft ist wohl nicht mehr erwogen worden, jedenfalls wird laut § 1 der Satzung ausdrücklich festgestellt, daß die Gesellschaft »im Kriegsjahr 1915 den deutschen Namen >Zur Weserklause< erhalten« habe. Offenbar hat sich auch die Gesellschaft, die noch bislang fast ausschließlich durch Herren gekennzeichnet und bestimmt war -- Damen spielten wohl nur als Ehegattinnen und Töchter bei gesellschaftlichen Veranstaltungen eine Rolle -- der zunehmenden Emanzipation der Frau nicht verschließen können, denn § 4 der Satzung von 1924 bestimmt, daß »selbständige Damen« als außerordentliche Mitglieder in die Gesellschaft aufgenommen werden können. Nach wie vor waren die Offiziere der Mindener Garnison korporativ Mitglied der Gesellschaft. Auch konnten nach der Satzung von 1924 Mitglieder des Offizierskorps in den Vorstand gewählt werden.

Das Jahr 1933 brachte zunächst keine Beeinträchtigungen oder Veränderungen im gesellschaftlichen Leben der Gesellschaft. Jedoch konnte auch sie sich auf die Dauer den Bestrebungen und Zielen des nationalsozialistischen Regimes nicht widersetzen, wollte sie nicht Gefahr laufen, gemäß der Praxis des Regimes »gleichgeschaltet« oder ganz aufgelöst zu werden. Daher konnte man nicht umhin, sich in der neuen Satzung von 1934 sowie in der Festschrift zum einhundertfünfzigjährigen Bestehen der Gesellschaft im Jahre 1938 den neuen Machthabern gegenüber loyal zu erweisen; und diese Loyalität war zweifellos für manchen Gutgläubigen, der von den äußerlichen Erfolgen der Nationalsozialisten bis 1938 beeindruckt war, kein reines Lippenbekenntnis.

Seit 1934 wurde neben dem Offizierskorps auch die höhere Beamtenschaft der Regierung Minden als korporatives Mitglied der Gesellschaft aufgenommen. Und zwar wurden die höheren Beamten auf Antrag des Regierungspräsidenten gegen Zahlung eines Pauschalbetrages in die Gesellschaft aufgenommen. Diese Regelung war erforderlich geworden durch die häufigen Versetzungen, die preußische Staats-beamte damals zu gewärtigen hatten.

Da sich 1934 von den Vorstandsmitgliedern offensichtlich niemand zum Vorsitzenden wählen lassen wollte, übernahm der kurz vorher nach Minden gekommene Oberbürgermeister Althaus den Vorsitz. Besondere politische Verpflichtungen oder Bindungen ist die Gesellschaft, sieht man einmal von der 1934 neuformulierten Satzung ab, die dem NS-Regime entgegenkam, nicht eingegangen. Indirekt mußte sie jedoch im »Vereinsleben« Zugeständnisse machen. 1938 heißt es, die Gesellschaft wolle in ihren Räumen Männern aller Berufe (!) eine Stätte sein, in der sie zwanglos zu froher Geselligkeit und kameradschaftlicher (!) Aussprache zusammentreffen können. Den Frauen und Töchtern der Mitglieder solle außerdem Gelegenheit zu geselligem Verkehr und Tanz geboten werden. Es ist die Rede davon, daß die Gesellschaft früher in dem Rufe besonderer Exklusivität gestanden habe, jetzt aber ihre Räume in weitestem Umfang geselligen, politischen (!), kulturellen und sportlichen Veranstaltungen der Mindener Bürgerschaft zur Verfügung gestellt werden. Diese Zugeständnisse der Gesellschaft sind nicht verwunderlich. Einem Regime, das in einem Volk nur nationalsozialistische Führer und gehorsame »Volksgenossen und Volksgenossinnen« duldete, mußte jede geistige und gesellschaftliche Differenzierung oder Exklusivbildung verdächtig erscheinen.

Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 betraf die Gesellschaft zunächst nicht direkt. Aber schon 1940 wurde der Vorsitzende, Oberbürgermeister Althaus, von seinem Posten abberufen und nach Gotenhafen (Gdingen) versetzt. Seit 1940 übernahm daher der stellvertretende Vorsitzende, Reichsbankdirektor Bongers, die Leitung der Gesellschaft. Im Laufe des Kriegs wurde das gesellschaftliche Leben in der »Weserklause« immer geringer und kam schließlich ganz zum Erliegen. Bis 1943 wurde das Haus der »Weserklause« jedoch noch zu kulturellen Veranstaltungen benutzt. Nachdem schon 1942 die Kegelbahn des Hauses beschlagnahmt worden war, wurde 1943 das Gebäude selbst durch die NSDAP beschlagnahmt und für den allgemeinen Verkehr geschlossen. Es wurde seitdem von halbamtlichen Stellen benutzt und diente u. a. als Kindergarten der NSV (Nationalsozialistische Volkswohl-fahrt) und als Ausgabestelle von Lebensmittelmarken und Bezugscheinen. Das Gebäude selbst hat unter Kriegseinwirkungen nicht zu leiden gehabt. Die Gesellschaft verfügte noch während des Krieges über erhebliche Weinvorräte, die allerdings beschlagnahmt wurden und angeblich zu sozialen Zwecken verwendet werden sollten. Der geschäftsführende Vorsitzende, Reichsbankdirektor Bongers, wandte sich scharf gegen diese ungesetzliche Beschlagnahmung und obsiegte auch schließlich gegen jene Stellen, die die Beschlagnahmung angeordnet hatten, jedoch war der Wein inzwischen längst an Mindener Gastwirte verteilt oder durch militärische Einheiten und bei Tagungen verzehrt worden. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß Herr Direktor Bongers als geschäftsführendes Vorstandsmitglied in den Kriegsjahren und in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg seine schützende Hand über das Haus der Gesellschaft gehalten hat. Nach dem Einmarsch der alliierten Truppen in Minden wurde das Gebäude der »Weserklause« bald durch die englische Militärregierung beschlagnahmt. Es wurde von der »Naafi« (Navy, army and airforce institution) in Besitz genommen, die es den Offizieren der Besatzungsmacht als »Minden Club« bzw. Offizierskasino zur Verfügung stellte.

Reichsbankdirektor Bongers wird Vorsitzender -- Neue Satzung

1946 wurde der geschäftsführende Vorsitzende der Gesellschaft, Direktor Bongers zum Vorsitzenden gewählt. Bongers hat die Gesellschaft in den schwierigen Kriegs- und vor allem in den Nachkriegsjahren zusammengehalten; er war als Rheinländer der eigentliche Motor und die belebende Kraft der Gesellschaft. Durch einen Beschluß der Hauptversammlung gab sich die Gesellschaft am 17. Dezember 1947 eine neue Satzung, die noch heute gültig ist. Danach ist Zweck der Vereinigung die Förderung des geselligen Verkehrs ihrer Mitglieder miteinander. Da 1947 Minden noch Sitz der Bezirksregierung war, wurde wiederum festgelegt, daß »Mitglieder der Regierung auf Antrag des Regierungspräsidenten aufgenommen« werden konnten (§ 5). Es entfielen natürlich Offiziere als mögliche Mitglieder, da es 1947 keine deutsche Wehrmacht mehr gab. 1948 begann die Gesellschaft außer Herrenabenden und einem Stammtisch wieder Tanzabende zu veranstalten, zunächst im »Haus Zirwas« und seit 1949 im Hotel »Bad Minden«. Direktor Bongers starb 1949; die Mindener Tageszeitungen brachten ehrenvolle Nachrufe auf ihn. Den Vorsitz der Gesellschaft übernahm dann Oberstudienrat Hermann Müller.

Obwohl sich der Vorstand der Gesellschaft schon im November 1951 um eine Freigabe seines Hauses bemüht und begründend darauf hingewiesen hatte, daß ein Klubleben der Gesellschaft nicht möglich sei, da in Minden für die Treffen der Herren und die Geselligkeit mit den Damen keine geeigneten Räumlichkeiten zur Verfügung stünden, erfolgte die Freigabe des Hauses erst viel später, nämlich am 30. April 1957. Das Gebäude war allerdings vor der Freigabe schon eine längere Zeit nicht mehr von den britischen Offizieren benutzt worden und hatte leer gestanden.

Nach der Freigabe des Hauses durch die britischen Militärdienststeilen waren weder Mobiliar noch Geschirr und sonstige Ausstattungsstücke vorhanden. Eine Bewirtschaftung des Hauses durch die Gesellschaft selbst war unter diesen Umständen natürlich nicht mehr möglich. Der Vorstand sah sich daher genötigt, nach einem andern Verwendungszweck für das Haus Umschau zu halten. Da das Stammhaus der Dresdner Bank in Minden am Großen Domhof während des Krieges stark beschädigt und noch nicht wieder instand gesetzt worden war, bot es sich an, das Haus der »Gesellschaft zur Weserklause« vorübergehend der Dresdner Bank zu vermieten, der das Haus daraufhin von 1958 bis 1960 als Domizil gedient hat
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Die Hauptversammlung des Jahres 1958 fand am 3. Dezember im Hotel "König von Preußen« statt. Da die eigenen Räume seinerzeit vermietet waren, lud der Vorstand die Mitglieder aus Anlaß des einhundertsiebzigjährigen Bestehens der Gesellschaft im Anschluß an die Hauptversammlung noch zu einem Herrenabend im "König von Preußen« ein. Die große Festveranstaltung anläßlich des Jubiläums fand erst nach der Jahreswende am 10. Januar 1959 im großen Saal des Mindener Rathauses statt. Dabei stellte sich heraus, daß die für den anschließenden Gesellschaftstanz vorgesehenen Räume des Ratskellers, die "Weinstube" und die »Tonne«, viel zu klein waren. Die Gesellschaft entschloß sich daraufhin, künftig für derartige, über den üblichen Rahmen hinausgehende Festveranstaltungen den Großen Saal des Kurhauses in Bad Oeynhausen zu wählen.

Als das Gebäude der Gesellschaft 1957 zurückgegeben worden war, wurden vom Vorstand verschiedene Pläne ausgearbeitet, nach denen das Haus schließlich wieder den Zwecken der Gesellschaft zugeführt werden sollte. Jedoch standen einerseits das sehr in Mitleidenschaft gezogene und sehr renovierungsbedürftige leere Haus und andererseits das durch die Währungsreform 1948 entwertete Barvermögen der Gesellschaft der Verwirklichung aller dieser Pläne - auch der eines Umbaues im Wege, so daß sich der Vorstand im Jahre 1960 entschließen mußte, das Gebäude zu verkaufen. Die Gesellschaft behielt sich jedoch das Recht vor, die Kegelbahn des Hauses noch 20 Jahre lang zu benutzen. Damit endet die Geschichte des Hauses der »Gesellschaft zur Weserklause«.

Und wie geht es in Zukunft weiter?